Algirdas Palezkis

beantwortet die Fragen zum Projekt

Die Wiederkehr des Faschismus – XXI

(Das Stenogramm vom Interview am 26.07.2012)

 

Video - Teil 1

In Litauen, im Hinblick auf die wirtschaftliche und politische Krise, sucht die Regierung künstlich nach Helden, und findet sie gerade in solchen faschistischen Zeiten. Bei uns werden die „Waldbrüder“[1] gepriesen, bei uns werden diejenigen gepriesen, die für die Deutschen im 2. Weltkrieg gearbeitet hatten – und deswegen wird die Geschichte falsifiziert.

Wie sie wissen war Litauen bis vor dem Krieg ein recht armes Land, das danach ein Teil der Sowjetunion wurde, und darauf folgte der Krieg. Als die Deutschen nach Litauen kamen, haben sie angefangen, die Zivilbevölkerung massenweise zu erschießen, wobei Ihnen leider sehr viele Litauer geholfen haben. Nachdem Krieg zog sich ein großer Teil davon in die Wälder zurück und wurden zu den „Waldbrüdern“.

Nun ja, jetzt wurden all diese „Waldbrüder“ bei uns [in Littauen] zu Helden, die angeblich für die Unabhängigkeit Litauens kämpften. Und das obwohl es allgemein bekannt ist, dass kein kleiner Teil von denen die deutsche Hilfspolizei war und sich damit befleckte. Aber genau in solchen Zeiten sucht unsere Regierung die Inspiration: in der Vorkriegszeit, als Litauen profaschistisch war, und erst recht in den Kriegszeiten, als ein Teil der zukünftigen „Waldbrüdern“ den Deutschen diente, und in den Nachkriegszeiten, als genau dieselben „Waldbrüder“ angeblich für die Freiheit kämpften, was tatsächlich bei vielen nur Mord an der Zivilbevölkerung, wie Landwirte, deren Familien, Kinder usw., ausmachte. 

Genau damit fängt in Litauen die Wiederkehr des Faschismus und Nazismus an. Den Kindern wird genau diese Ideologie aufgezwungen. Es werden Märchen erzählt über die angeblichen Freiheitskämpfer, was dazu führt, dass die Jugend Litauens sich an solche Helden hält. Das ist eins der Fragen, auf die ich versucht hatte, zu antworten.

Wie geht das geschmeidig in den heutigen Tag über? Nach so einer Gehirnwäsche hat die Jugend entsprechende Stereotypen: Russenfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus. Und gerade deswegen ist der 11. März – der Tag der Wiedergewinnung der Unabhängigkeit – deswegen geht ein Teil der Litauer bei Demonstrationen und schreit solche Losungen wie „Litauen – den Litauer!“, und bekleiden sich schon faktisch mit Swastika.

Das wird auch durch ein paar Gerichtsentscheidungen in Litauen begleitet: so hatte einer der Richter entschieden, das die Swastika – ein antikes Symbol der Balten, der Vorfahren der baltischen Völker sei, die man in archäologischen Ausgrabungen gefunden hatte. Und so eine Swastika, diese antike Swastika kann man heutzutage offen vorzeigen. Genauso hat das Gericht entschieden, dass „Litauen – den Litauer“ – eine angeblich demokratische Parole sei.

Vor kurzem hat die Regierung von Litauen die Umbettung einer der Hauptkollaborateure des 2. Weltkrieges Juozas Ambrazevičius finanziert, der im Jahr 1941 die so genannte Übergangsregierung anführte, und die Streitmacht Hitlers auf der Litauischen Erde begrüßte. Gerade diese Regierung befleckte sich mit der Kollaboration. Und gerade das Oberhaupt dieser Regierung, seine Überreste, wurde so üppig erst neulich im Jahre 2012 umgebettet.

Kein Wunder auch, dass es sich vor kurzem  herausstellte, dass es in der Litauer Armee zwölf unverblümte Neonazisten dienen. Ein paar Journalisten haben eine Untersuchung durchgeführt, wo sie die Fotos von diesen Armeenangehörigen im Dienst und in der Freizeit verglichen. Es sind die gleichen Gesichter. Nur seht man sie in der Freizeit mit Swastika und deutschen Kreuzen tätowiert, sie werfen zum Gruß die rechte Hand nach oben und schreien: „Sieg Heil!“. Und diese Menschen dienen schon in der Armee. Und kein einziger von denen wurde entlassen. Kein einziger!

Zudem kann man auch noch in sozialen Netzwerken beobachten, wie sich manche ehemalige Minister der litauischen Regierung z.B. in „Facebook“ von ihren Gleichgesinnten mit diesem einfachen, schmerzlichst vertrauen „Sieg Heil“ verabschieden. Also es gibt auch noch eine zweite Stufe: nicht nur die Straßenstufe, wo es jedes Jahr am 11. März der „Einfall“ immer zahlreicher wird – eins bis zwei Tausend Skinheads, sondern auch noch die Stufe der Regierung, wo es in bestimmten Kreisen verborgene Nazi Anhänger gibt, die sich so in sozialen Netzen, wie z.B. „Facebook“ offenbaren. Das war die andere Frage.

Noch gab es eine andere Frage über den auffallenden  Film „Soviet Story“. Dieser Film – ist im größten Teil eine aufrichtige Lüge. Er wurde auch im litauischem Fernsehen gezeigt – im zentralen Fernsehkanal, in der besten Sendezeit, mit Kommentaren, wie etwa: Hier schau mal, litauisches Volk, hier ist endlich die wahrhaftige Geschichte, die man von dir versteckte …

Video - Teil 2

Diesem Film folgten Kommentare von bekannten Politikwissenschaftlern, litauischen Politikern und Journalisten, dass das die ultimative Wahrheit sei. Obwohl wir alle wissen, dass das nicht stimmt. Der Film wurde bereits mehrere Male gedreht, obwohl ich erwähnen muss, dass hier die nationalistische Propaganda wahrscheinlich schon übertrieben hat. Wenn man über die Resonanz in der Bevölkerung spricht, denn das war ja auch die Frage, dann muss man sagen, dass es im Prinzip gar keine Resonanz gab, einfach nur deswegen, weil die Menschen schon von so einer offenen Propaganda ermüdet sind, das ist nichts neues mehr.

Und das alles wurde wie eine formale Propaganda wahrgenommen, in die keiner mehr glaubt. Besonders im Hinblick auf die Krise, wenn immer mehr Menschen der Armut verfallen, immer mehr Menschen das Land verlassen: Wir haben eine schreckliche Migration. Bei uns wird dauernd an die vor- und nachkriegszeitlichen Deportationen  zurückgedacht – so hat die heutige kapitalistische „Deportation“ ein Vielfaches mehr an Menschen erwischt, als damals. Im Hinblick auf all das konnte dieser Film nicht mehr als ultimative Wahrheit aufgenommen werden.

Ich kann mit Sicherheit, unter Berücksichtigung der historischen Erkenntnisse, sagen, dass in Litauen der Faschismus nicht durchgehen wird. Wir werden das nicht zulassen. Wir sind immer mehr: Leute, die verstehen und die wahre Geschichte Litauens kennen. Und wir machen alles, damit er nicht kommt.

Die Massenmedien beschreiben oder berichten die Tätigkeit der Neonazis auf so eine, ich muss sagen, sanfte Weise. Also, zu meinem Bedauern, wird von den Marschen der Neonazis und Nationalisten in einer leicht positiven Sichtweise berichtet. Viele der Journalisten verstehen einfach wegen ihrer Unwissenheit und Naivität nicht, wie gefährlich das ist. Und das wird so präsentiert, als ob die Jugend so national orientiert, patriotisch gestimmt wäre.

Es wird also ein Ausdruck benutzt, dass das Patrioten seien. Und nur manchmal gibt es in den Massenmedien Durchblicke, dass das tatsächlich Rechtsradikale sind, die in sich eine Gefahr für die ganze Gesellschaft verbergen. Deswegen muss man mehr mit den Journalisten arbeiten, ihnen erklären. Unser Bildungsniveau ist im Vergleich zum Sowjetischen sehr stark gefallen, und viele der Journalisten wissen bereits nicht mehr, wie gefährlich das ist.

Dazu kommt noch, dass manche von denen die Aufträge der Regierung ausführen: Die Regierung hat eine Nachfrage nach Nationalismus – das ist heutige offizielle Ideologie. Dadurch wird jedes Elend erklärt: Der scheinbare äußere Feind – die Sowjetunion, Russland, sie sind an allen Unheilen Litauens schuld. Zusätzlich dazu ist auch noch Weißrussland schuldig, die man „von der Regierung befreien“ muss, wie es in unserer Presse immer gesagt wird. Und genau in diesem Sinne müssen wir die Journalisten bilden, man muss mit ihnen arbeiten, weil das Bildungsniveau in der Journalistik sehr stark gefallen ist.

Die Tätigkeit der Antifaschisten Litauens läuft eben auf eine schnelle Reaktion auf all diese Geschehen hinaus. Bei uns wurde eine antifaschistische Organisation gegründet namens „Litauen ohne Faschismus“. Das ist die nationale Einheit der globalen Organisation – „Die Welt ohne Faschismus“, und wir arbeiten aktiv an der Bildung und Informierung der Menschen. Wir veranstalten Diskussionsklubs, wir führen unsere Meetings durch. Wir versuchen unsere Informationen in der Presse, in den Massenmedien, zu präsentieren. Wir stellen die Regierung bloß, wenn sie offen oder verborgen die Neonazis unterstützt. Wir schreiben darüber in die internationalen Behörden, und wir sind entschlossen, keinen Schritt zurück zu gehen.

Hier in den Baltikumländern, was den Fortschritt des Neonazismus betrifft, sind wir sozusagen in der Avantgarde, zudem auch noch in Litauen und Estland. Wenn man die ehemaligen Länder der Sowjetunion nimmt, ist hier [in den Baltikumländern] der Faschismus besonders fortgeschritten. Bei uns in Litauen werden die „Waldbrüder“ lobgepriesen. In Estland werden das die ehemaligen SS-Leute hochgepriesen, die wir in Litauen nicht hatten, dennoch arbeiten diese Kräfte zusammen. Die Regierung begünstigt das auch noch. Und wir befinden uns gerade in den vorderen Positionen dieser Front.

Wir sind in den Baltikumländern sozusagen ein Testgebiet. Die Regierungen nicht nur der Baltikumländer, denke ich, sondern auch mancher Länder Europas versuchen aus den Baltischen Staaten ein Testgebiet zu erschaffen. Bei uns ist bereits eine massenweise Verelendung der Bevölkerung passiert. Und die Regierung testet sozusagen: „Wie werden sie reagieren?“. Wir sind sozusagen so ein Testgebiet, um danach die Austestung auf für größere Länder durchführen zu können. Bis jetzt gelingt ihnen das, da sie immerhin die Massenmedien kontrollieren. Aber hier kann man sich dem widersetzen, und genau das tun wir.

 



[1] Als sich die deutschen Armeen geschlagen aus Osteuropa zurückzogen, folgten ihnen zwar viele der von ihnen aufgestellten Freiwilligeneinheiten – zum Teil mit ihren Frauen und Kindern -, ein guter Teil aber blieb zurück. <...> Nur weil diese Ereignisse in den Geschichtsbüchern vom Zweiten Weltkrieg völlig überlagert sind, sollte man nicht denken, dass die Rote Armee leichtes Spiel hatte. Die "Waldbrüder" in Litauen und die UPA in den Karparten führten einen äußerst zähen Guerillakrieg, der hunderttausende von Menschenleben forderte und den Rote Armee und KGB erst gegen Ende der Fünfziger Jahre niederschlagen konnten.

 Amerikaner und Briten waren nach ihrem Sieg an diesem heimlichen Krieg weitgehend uninteressiert, sie hatten mit den Russen auf der Konferenz von Jalta die Interessenssphären abgegrenzt und gleich nach Kriegsende sogar Teile der Wlassow-Armee an die Sowjets ausgeliefert. // http://www.kriegsreisende.de/relikte/cia.htm